Das Thema Milch und Molkeprodukte beschäftigt nicht nur in unserer schönen Studierendenstadt die Menschen. Dahingehend wollen wir uns in 2 Teilen diesem Themenkomplex einmal nähern.
Eins vorweg, es soll hier nicht um die moralischen oder ethischen Gründe zum Milch-/Molkeproduktverzicht gehen. Wem die Domestizierung der milchgebenden Tiere gegen die eigenen Wertvorstellungen geht, dem steht es selbstredend frei auf eben diese zu verzichten.
Allerdings kursieren unterschiedliche Behauptungen in den sozialen Netzwerken, welche von Journalen und Cherrypicker_innen immer wieder gerne ins Feld geführt werden. Gänzlich können wir in diesem kleinen Infotext nicht in die Thematik einsteigen, aber wie immer werdet ihr weitere Informationen in den Quellen finden. Denn das Wichtige ist und bleibt: Eine einzige Studie zu einem Thema hat keine Aussagekraft. Egal, aus welcher Richtung sie kommt.
Was ist überhaupt Milch:
Es ist das Drüsensekret weiblicher Säugetiere (Rohmilch), mit denen Jungtiere gefüttert werden können/müssen. Weiterhin bezeichnen wir diverse Bohnen- oder Nusssäfte als Milch (Sojamilch, Mandelmilch, Reismilch…). Milch hat eine große Menge an Nährstoffen und Enzymen. Sie besteht darüber hinaus aus Proteinen und Fettsäuren. Der Prozess der Pasteurisierung erlaubt es uns Menschen, die Milch von pathogenen Bakterien zu befreien, wobei die sog. Homogenisierung den Fettanteil der Milch standardisiert. Ferner hat die Milch ihren eigenen Zucker. Die Lactose. Diese besteht aus Glucose und Galactose und wird durch das Enzym Lactase im Körper gespalten. Normalerweise verlieren Säugetiere nach einiger Zeit die Fähigkeit der Lactasebildung. Durch die oben angesprochene Domestizierung der milchgebenden Tiere sind die meisten Europäer_innen dahingehend angepasst und können fast ein Leben lang Lactase bilden. Ohne dieses Enzym können Milchprodukte allerdings zu unangenehmen Darmproblemen führen, wobei sich dies in der Regel durch die exogene Einnahme von Lactase regulieren lässt. Milch besteht zu großen Teilen aus dem Protein Kasein. Weiterhin enthalten sind Beta-Iactoglobulin und Alpha-Iactalbumin (sog. Molkenproteine). Auch Mineralstoffe und Vitamine sind Bestandteile, wobei hier B1, B2 und selbstredend Calcium zu nennen sind. Durch die Verarbeitung der Milch (kann zu unendlichen Formen der Erzeugnisse führen), vor allem zu Käse, entsteht ein „Abfallprodukt“, die sogenannte Molke (Whey-Protein).
Da wir nun, zugegeben sehr komprimiert, wissen, woraus Milchprodukte bestehen, kümmern wir uns um die verschiedenen Behauptungen rund um diese weiße Flüssigkeit.
Erzeugt Milch Krebs?
Fast schon mantraartig werden aus einer bestimmten Ecke immer wieder angeblich feststehende Daten zur „Karzinogenität“ der Milch im Allgemeinen und dem Kasein im Speziellen rezitiert. Tatsächlich stellen einige Beobachtungsstudien und Meta-Analysen schwache, aber konsistente Verbindungen her (vgl. Ganmaa & Sato et al., Ludwig et al., Aune et al.). Doch selbst die Autoren_innen stellen fest, dass diese erhöhten Wahrscheinlichkeiten (hier ging es vor allem um Ovarialkrebs und Prostatakrebs ca. 9 %) auch aufgrund diverser Umformungen (aufgrund von Störvariablen) in den Originalstudien zustande gekommen sein könnten. In die gleiche Kerbe schlagen auch Schoenfeld und Ioannidis (2013), die sagen, dass der Gesamteffekt weitaus geringer sein könnte. Vollfettmilch senkt laut der Studien sogar die Wahrscheinlichkeit. Die umfassendste Arbeit zu diesem Thema von Miller et al. (2003) kommt ebenfalls zu einer durchschnittlich minimal erhöhten Wahrscheinlichkeit für Prostatakrebs (auch wies Vollfettmilch eine geringere Wahrscheinlichkeit auf). Was der genaue Wirkmechanismus für die erhöhte Wahrscheinlichkeit ist, ist bis heute unklar. Frank Taeger (2018), der sich vielerlei Forschungsarbeit zu dem Thema widmete, sagt ebenfalls, dass es höchst unwahrscheinlich sei, dass die Milch für die erhöhte Wahrscheinlichkeit verantwortlich sei. Wer dahingehend selbst weiterlesen möchte, dem kann sein Buch „Satt-Stark-Schlank“ wärmstens ans Herz gelegt werden. Die Entstehung von verschiedenen Krebsarten ist eines auf jeden Fall: Multifaktoriell und kann nicht allein auf das vage Potenzial der Milch reduziert werden.
In der Forschung ist ein vielmaliges „höchst unwahrscheinlich“ indes mehr wert als ein einmaliges „es gibt einen klaren Zusammenhang“. Eine Hypothese von Ganmaa & Sato stellt eine Verbindung der in der Milch enthaltenden Hormone (IGF‑1) und Krebs her. Auch dieser Punkt konnte bisher nicht nachgewiesen werden (vgl. Genkinger et al., 2006). Viel wahrscheinlicher ist wohl, dass die Untersuchungen zum Milchkonsum in so großen Stichproben durchgeführt werden (müssen), dass es äußerst schwierig ist, alle Störfaktoren gänzlich zu kontrollieren. Aune und Kollegen_innen rechneten bspw. Alkoholkonsum, Rauchen, Übergewicht, physische Aktivität, Diabetes u.v.m. heraus, wobei jeder einzelne Faktor für sich genommen einen weitaus größeren Einfluss auf das Auftreten von Prostatakrebs hätte. In den USA ist indes die Gabe des Wachstumshormons rBGH erlaubt. Dies führt zu einer erhöhten Milchproduktion, geht im Umkehrschluss allerdings auch mit einem höheren Auftreten einer Mastitis einher. Daraufhin wurden alsbald auch die Auswirkungen von rBGH auf den Menschen untersucht. Eine direkte Gabe von rBGH (Humanstudien) blieb ohne Auswirkungen auf den menschlichen Organismus, da es im Magen durch einige Enzyme vollständig abgebaut wird (vgl. Taeger, 2018). Unklar bleibt bisher allerdings der Zusammenhang von rBGH-Gabe in Bezug auf IGF‑1 in der Milch. Egal, welches Ergebnis dahingehend ermittelt wird, so ist die Fütterung/Gabe mit rBGH keinesfalls zu unterstützen und gänzlich unethisch. Nach Aufkommen der ersten Ergebnisse untersagte die Europäische Union übrigens die Zugabe von rBGH in der gesamten EU. Milch, die von diesen Kühen stammt, darf auch nicht in die EU eingeführt werden. Milch und Krebs wird auch weiterhin ein Thema bleiben. Nach heutigem Wissensstand scheint, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass die Milch für ein erhöhtes Auftreten von Krebs verantwortlich ist.
To be continued…
Eine gute Übersicht über die „Gefahren“ von tierischen Produkten in Bezug zu Krebs gibt die World Cancer Research Fund auf ihrer Seite:
Weitere Infos[Autor: L. Ahl]
Quellen:
[icon name=“angle-right” class=”” unprefixed_class=“”] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19486260
[icon name=“angle-right” class=”” unprefixed_class=“”] https://academic.oup.com/annonc/article/23/1/37/163313
[icon name=“angle-right” class=”” unprefixed_class=“”] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25527754
[icon name=“angle-right” class=”” unprefixed_class=“”] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/?term=ganmaa+et+al+the+possible
[icon name=“angle-right” class=”” unprefixed_class=“”] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/16492930
[icon name=“angle-right” class=”” unprefixed_class=“”] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22054181
[icon name=“angle-right” class=”” unprefixed_class=“”] https://www.cambridge.org/core/services/aop-cambridge-core/content/view/EFC9A3380BD3E490A61BFFE3F828EBC3/S0007114503002009a.pdf/conjugated_linoleic_acid_claenriched_milk_fat_inhibits_growth_and_modulates_claresponsive_biomarkers_in_mcf7_and_sw480_human_cancer_cell_lines.pdf
[icon name=“angle-right” class=”” unprefixed_class=“”] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27882862
[icon name=“angle-right” class=”” unprefixed_class=“”] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23193004