Gesund und Fit Feed

War­um über­haupt trai­nie­ren?

Gesund & Fit // Feed

Die­se Fra­ge hat sich jeder trai­nie­ren­de Mensch schon ein­mal gestellt. Gera­de wäh­rend einer sehr anstren­gen­den Ein­heit bekommt man manch­mal das Gefühl: „War­um zum Gei­er mache ich das hier über­haupt“. Nun, die­ser gedank­li­che Aus­spruch ist natür­lich nur ein Ven­til für die soeben erleb­te Erschöp­fung.

Doch wie­so soll­te jeder Mensch trai­nie­ren? Wozu ist das über­haupt gut und ist es über­haupt gut? Lau­tet nicht auch ein altes deut­sches Sprich­wort: „Sport ist Mord“?

 

Schau­en wir uns das mal näher an.

Vor­ab küm­mern wir uns um die Bestands­auf­nah­me. Denn der jet­zi­ge Ist-Zustand ist das, wovon wir immer aus­ge­hen soll­ten. Wie­so wirk­lich JEDER Mensch trai­nie­ren soll­te fängt damit an, wie wir uns in unse­rer moder­nen Gesell­schaft bewe­gen. Oder eben nicht bewe­gen.

 

Anbei möch­te ich einen klei­nen anek­do­ti­schen Ein­schub mit hin­ein­ge­ben.

Jeder kennt das. Man ist mit etwas sehr inten­siv beschäf­tigt und das The­ma begeg­net einem an allen mög­li­chen Stel­len und zu fast jeder Gele­gen­heit. Man möch­te sich ein Auto kau­fen und plötz­lich sieht man nur noch Model­le der Auto­mar­ke die man bevor­zugt. Man ent­wi­ckelt eine Art „Bias“. Davor ist nie­mand gefeit. Auch mir ging es ähn­lich. Zur Vor­be­rei­tung auf einen Ernäh­rungs­vor­trag begeg­ne­ten mir plötz­lich an jeder Ecke deut­lich über­ge­wich­ti­ge Men­schen. Mit zuneh­men­der Zeit sah ich auch immer mehr „schlan­ke“ Men­schen mit deut­li­chem Bauch­an­satz. Zunächst schob ich es wirk­lich auf eine Art ver­eng­ten Blick­win­kel. Doch wie vor­her bei der bevor­zug­ten Auto­mar­ke, die man ein­fach ver­stärkt visu­ell wahr­nahm, waren die­se Men­schen tat­säch­lich da, sie waren kein Pro­dukt mei­ner Fan­ta­sie. Ich nahm die Rea­li­tät in die­sem Bezug nur deut­li­cher wahr.

Lei­der schei­nen sich die Daten, die uns in Bezug zur west­li­chen Bevöl­ke­rung vor­lie­gen, mit mei­nen sub­jek­ti­ven Beob­ach­tun­gen zu decken.

Kürz­lich erschien im renom­mier­ten ‘the Lan­cet’, eine im Auf­trag der World Health Orga­niza­ti­on durch-geführ­ten Ana­ly­se, zur welt­wei­ten phy­si­schen Akti­vi­tät im Zeit­raum von 2001 bis 2016. Die von den Wissenschaftler_Innen gepol­ten, popu­la­ti­ons­ab­hän­gi­gen Daten in die­sem Gut­ach­ten (ins­ge­samt 358 Ein­zel­gut­ach­ten) legen nahe, dass sich fast jeder drit­te Mensch zu wenig bewegt (27,5 % ± 8). Wenn wir uns die soge­nann­ten “high-inco­me count­ries” anse­hen, wird es noch schlim­mer. In 2016 liegt das man­gel­haf­te Bewe­gungs­in­diz bei 36,8% und ist im Ver­gleich zu 2001 auch leicht ange­stie­gen (31,6%). Um der inter­es­sier­ten Leser_Innenschaft gleich noch einen “Lacher” mit­zu­lie­fern, hat das Gen­fer For­scher­team natür­lich auch die Base­line des phy­si­schen Akti­vi­täts­le­vels fest­ge­setzt. Ent­we­der sol­len 75 Minu­ten Sport (ein Mix aus mode­ra­ter und inten­si­ver phy­si­scher Anstren­gung) pro Woche durch­ge­führt wer­den, oder ein Äqui­va­lent in Form von 150 Minu­ten akti­ver Bewe­gung (z.B. Spa­zie­ren­ge­hen), eben­falls pro Woche. Eine Woche hat im Übri­gen 168 Stun­den. Je nach­dem in wel­chem Berufs­feld die Men­schen nun arbei­ten und in wel­chem Bereich des Lan­des sie leben, kom­men noch mehr oder weni­ger “akti­ve Bewe­gung” hin­zu. Die Kollegen_Innen der Sport­le­rei Aka­de­mie haben vor eini­gen Wochen bum­me­lig 116 Stun­den Inak­ti­vi­tät auf­kum­mu­liert (Arbeits­weg, Büro­all­tag, Frei­zeit). Ganz so hart wür­den wir nun nicht rech­nen, aller­dings sind die­se Zah­len für den durch­schnitt­li­chen Büro­mensch wohl sehr reell (vgl. Gut­hold et al., 2018).

Noch­mal zur Base­line. Wir haben 75 Minu­ten, respek­ti­ve 2,5 Stun­den Bewe­gung gegen­über 100 h ± 20 Inak­ti­vi­tät pro Woche. Selbst wenn wir nun von die­sen Inak­ti­vi­täts­stun­den 40 Stun­den, auf­grund von Arbeits­platz­ge­ge­ben­hei­ten abzie­hen wür­den, blie­be mehr als eine wei­te­re Arbeits­wo­che in der man sei­nen All­tag akti­ver gestal­ten könn­te. Aber selbst inner­halb die­ser ca. 50–60 Stun­den schaf­fen es nur knapp über Hälf­te der Men­schen, die von der WHO ange­ge­be­ne Akti­vi­täts­base­line zu errei­chen. Fer­ner hal­ten wir als Sport­wis­sen­schaft­ler und Phy­sio­lo­gen die­se Base­line als nicht aus­rei­chend, aber dazu kom­men wir noch. 65 Staa­ten lie­fer­ten rela­tiv genaue Daten über den ange­ge­be­nen Zeit­raum, dar­un­ter auch Deutsch­land. Lei­der, so muss man sagen, gehö­ren wir zu den 5 Natio­nen, deren unge­nü­gen­des Bewe­gungs­pro­fil am stärks­ten zunahm (Ein Anstieg von über 15% von 2001 gegen­über zu 2016).
In der heu­ti­gen Zeit wer­den har­te Fak­ten oder kon­sis­ten­te, kor­re­la­ti­ve Hin­wei­se ger­ne ein­mal in das Land der fabeln ver­wie­sen. Sät­ze wie “Ach hör mir doch auf mit dei­nen Fak­ten”, oder “Sta­tis­ti­ken sind doch eh alle gefälscht”, “Was wis­sen denn die For­scher schon” fal­len nicht sel­ten. Ähn­lich dem Fak­tum, dass der Kli­ma­wan­del Wirk­lich­keit ist, ist es die Wahr­heit, dass kör­per­li­che Bewe­gung eine Men­ge an posi­ti­ven Eigen­schaf­ten für die Gesund­heit unse­rer Gesell­schaft mit sich brin­gen kann. Phy­si­sche Akti­vi­tät hat nach­weis­lich (!) einen pro­tek­ti­ven Nut­zen gegen­über diver­sen Risi­ko­fak­to­ren in Bezug auf Kar­dio­vas­ku­lä­re Krank­hei­ten, Dia­be­tes, Hyper­to­nie und Krebs. Wei­ter kann es gegen Über­ge­wicht und Demenz hel­fen und hat einen Effekt auf die psy­cho­so­zia­le Gesund­heit (vgl. Gut­hold et al., 2018). Das Alles wis­sen wir nicht erst seit ges­tern. Viel­mehr soll­te die Ent­wick­lung eines ange­mes­se­nen Bewe­gungs­um­fan­ges eine der ers­ten Stell­schrau­ben sein, an denen man dreht.

Ich den­ke wir haben an die­ser Stel­le klar gemacht, dass es sich lohnt, sich über­haupt zu bewe­gen. Die Fra­ge, der wir noch nach­ge­hen müs­sen ist, wie viel Bewe­gung es sein soll­te. Oder anders­her­um, wie wenig Bewe­gung ist mini­mal nötig, um einen posi­ti­ven Nut­zen für sei­ne eige­ne Gesund­heit dar­aus zie­hen zu kön­nen? Dazu kom­men wir an spä­te­rer Stel­le noch zurück.

 

Vor­her soll­ten wir uns noch um eine wei­te­re Bau­stel­le in unse­rer Gesell­schaft küm­mern. Die Fett­lei­big­keit.

Eben­so wie der gerin­ge Bewe­gungs­um­fang wird auch die­ses Pro­blem oft­mals klein gere­det. Oder es fal­len Sät­ze wie: “Ja die Dün­nen haben ja gut reden, die sind ja dünn” oder “Ich esse doch gar nicht so viel”.

Wird in Bezug zur Bewe­gung ger­ne ein­mal die Zeit­bud­get­kar­te aus­ge­spielt, so ist selbst­re­dend kei­ner an sei­nem Über­ge­wicht schuld. Schlech­te Gene­tik und ande­re exter­ne Grün­de sind natür­lich ver­ant­wort­lich. Dass wir bei­de Risi­ko­fak­to­ren sogar in Bezie­hung zuein­an­der set­zen kön­nen, erschließt sich eben­falls den Wenigs­ten. Auch der viel geschol­te­ne Body Mass Index, wel­cher das Ver­hält­nis von Kör-per­grö­ße zum Gewicht angibt, wird als Daten­punkt miss­ach­tet. Dabei trifft er bei ca. 95% der Men-schen genau ins Schwar­ze (vgl. Tae­ger, 2018, The glo­bal BMI Mor­ta­li­ty Col­la­bo­ra­ti­on, 2016, Aune et al., 2016). Der BMI stellt das gebräuch­lichs­te Tool im Werk­zeug­kas­ten der meis­ten Ernäh­rungs- und Gesundheitsforscher_Innen dar. Er kor­re­liert sehr gut mit der Kör­per­fett­mas­se und ist somit ein guter Prä­di­ka­tor für etwa­iges Über­ge­wicht und Adi­po­si­tas (vgl. Men­sink et al., 2013; Aune et al., 2016; Tae­ger, 2018).

Die Ent­ste­hung von Über­ge­wicht ist vor allem durch die Inter­ak­ti­on von Ernäh­rung, Bewe­gung und gene­ti­scher Dis­po­si­ti­on deter­mi­niert. Gera­de die gene­ti­schen Gege­ben­hei­ten soll­ten kei­nes­falls über- oder unter­be­wer­tet wer­den. Wer den­noch glaubt, er kann sei­ne eige­ne Kör­per­kom­po­si­ti­on nicht selbst­stän­dig zum Posi­ti­ven ver­än­dern, unter­liegt einem gra­vie­ren­den Fehl­ur­teil. Die Zah­len zum Über­ge­wicht sind indes eben­so erschre­ckend, wie jene zur Bewe­gungs­ar­mut. Gera­de in den Indus­trie­staa­ten ent­wi­ckel­te sich die Situa­ti­on in den letz­ten 20 Jah­ren dra­ma­tisch. In den OECD Staa­ten lei­den ins­ge­samt 54% der erwach­se­nen Bevöl­ke­rung unter Über­ge­wicht, wobei hier­bei schon gan­ze 19,4% adi­pö­se Men­schen inte­griert sind (vgl. OECD Health Sta­tis­tics, 2017). Nun inter­es­sie­ren uns hier­zu­lan­de natür­lich nicht alle OECD Staa­ten. Ergo gucken wir uns die Zah­len in Deutsch­land doch ein biss­chen genau­er an. Eins vor­ab, es wird nicht bes­ser.

Zwar sind die Daten­punk­te schon ein paar Jah­re alt, den­noch wer­den sie sich bis hin nicht signi­fi­kant geän­dert haben. Nach dem OECD Health Sta­tis­tics Bericht von 2015 lei­den ca. 60% der Deut­schen (da-von 23,6% an Adi­po­si­tas) an Über­ge­wicht. Men­sink et al. (2013) streb­ten im DEGS1 Report einen Ver-gleich zu den, im Unter­su­chungs­ser­veys 1990/91 sowie dem Bun­des-Gesund­heits­ser­veys 1998 eva­lu­ier­ten Ergeb­nis­sen an. Dem­nach sind 67,1% der Män­ner und 53,0% der Frau­en im Erwach­se­nen­al­ter über­ge­wich­tig. Das Gute: Dies scheint sich im Ver­gleich zum BGS98 nicht son­der­lich ver­än­dert zu haben. Das sehr Schlech­te: Die Adi­po­si­t­as­prä­va­lenz ist bedeu­tend gestie­gen, vor allem bei jun­gen Erwach­se­nen (vgl. Men­sink et al., 2013). Inter­pre­ta­tiv ist also davon aus­zu­ge­hen, dass dies der hohen Kin­der- und Jun­gen­d­adi­po­si­tas (vgl. Kurth & Schaf­frath, 2007) folgt. Die­se Kenn­zah­len sind abso­lut besorg­nis­er­re­gend und schei­nen sich in den nächs­ten Jah­ren eher zu ver­ste­ti­gen als nach unten zu regu­lie­ren.

Selbst­re­dend unter­liegt auch die Ernäh­rungs­for­schung eini­gen Tücken. Vie­le epi­de­mio­lo­gi­sche Daten, die uns vor­lie­gen sind mit schlech­ter Metho­dik erho­ben oder fußen auf rei­nen Fra­ge­bö­gen zum Ess-ver­hal­ten. Ihr könnt euch aller­dings sicher sein, dass wir hier zumeist Meta-Ana­ly­sen ver­wurs­tet haben, die schon in eine ein­deu­ti­ge Rich­tung wei­sen. Bereits zuvor haben wir ange­spro­chen, dass oft­mals der BMI bemüht wird, um eine Aus­sa­ge tref­fen zu kön­nen. Egal was ihr bereits gehört habt, er trifft wohl bei den meis­ten Durch­schnitts­men­schen genau­so zu. Das ist manch­mal nicht schön, aber die Wahr­heit. Wenn wir uns dann noch­mals die ca. 60% (nach OECD Bericht) auf der Zun­ge zer­ge­hen las­sen, haben knapp 2/3 der in Deutsch­land leben­den Men­schen einen höhe­ren BMI als sie gesund­heit­lich haben soll­ten. Mit Ver­laub, die haben mit an Sicher­heit gren­zen­der Wahr­schein­lich­keit nicht ein­fach “sehr viel Mus­kel­mas­se” und des­halb einen hohen Body Mass Index. Dazu muss man kein_e Wissenschaflter_In sein, son­dern nur vor die Tür gehen. Ach halt, das machen wir Men­schen ja auch so ungern. Zur Ehren­ret­tung sei hier­bei fest­ge­stellt, dass sich Über­ge­wicht und Adi­po­si­tas natür­lich am bes­ten fest­stel­len las­sen, wenn man meh­re­re Daten­quel­len zur Ver­fü­gung hat. Die vali­des­te Metho­de ist und bleibt die Kör­per­fett­mes­sung, wobei die­se lei­der auch am auf­wen­digs­ten oder teu­ers­ten ist. Wer die gro­be Rich­tung sei­nes Kör­per­fett­an­teils ein­mal wis­sen möch­te, kann die­se Rechnung(en) der US-Navy ein­mal anwen­den:


Für Män­ner:

Kör­per­fett in % = 86,010 x LOG (Bauch-Hals) — 70,041 x LOG (Grö­ße) + 30,30

Für Frau­en:

Kör­per­fett in % = 163,205 x LOG (Bauch + Hüf­te — Hals) — 97,684 x LOG (Grö­ße) — 104,91


Die Navy Metho­de bezieht, wie gese­hen, eini­ge Umfän­ge mit ein. Ihr müsst also vor­ab euren Nacken-umfang (Hals), Bauch­um­fang (Höhe Bauch­na­bel), Hüft­um­fang (brei­tes­te Stel­le) und die Kör­per­grö­ße parat haben. Alles in Zen­ti­me­tern aus­mes­sen und ent­spre­chend in die For­mel ein­fü­gen (vgl. Tae­ger, 2018). Wis­sen­schaft­li­chen Stan­dards wür­de die­se Metho­de wohl eher nicht stand­hal­ten, da sie im Schnitt den Kör­per­fett­an­teil zu 4–5% unter­schätzt. Doch für eine gro­be Rich­tung z.B. zu einer Diät­pla­nung reicht sie alle­mal.

Gera­de wenn ihr euren BMI und den Tail­le-Hüft-Quo­ti­ent noch mit ein­be­zieht, zeich­net sich ein rea­les Bild eurer Kör­per­kom­po­si­ti­on. Zusam­men mit dem Spie­gel und der Waa­ge soll­te sich dem­entspre­chend eine Hand­lungs­emp­feh­lung ablei­ten. In wel­che Rich­tung auch immer.

Somit hät­ten wir die Bestands­auf­nah­me zunächst abge­schlos­sen. Wir wis­sen nun, aus den uns zur Ver­fü­gung ste­hen­den Daten, dass wir deut­sche uns 1. zu wenig bewe­gen und 2. ca. 2/3 der Bevöl­ke­rung unter Über­ge­wicht und Adi­po­si­tas lei­det. Bei­des steht im direk­ten Zusam­men­hang mit den typi­schen Erkran­kun­gen west­li­cher Indus­trie­na­tio­nen. Inso­fern kön­nen wir offen­bar selbst­stän­dig tätig wer­den, um unser eige­nes Risi­ko zu mil­den und uns Lebens­qua­li­tät zu erar­bei­ten.

Dabei hel­fen kann uns das Trai­ning. Egal ob ihr selbst eher Spielsportler_In, Kraftsportler_In oder Ausdauerathlet_In seid. Jeg­li­che Form von sport­li­cher Bewe­gung wird euch in bei­den Kos­ten­punk­ten (Bewe­gungs­ar­mut und Über­ge­wicht) als Ertrag gut­ge­schrie­ben wer­den.

Nun, ein Grund­satz des Trai­nings (und der Evo­lu­ti­ons- und Sys­tem­theo­rie) ist die Anpas­sung an exo­ge­ne Rei­ze. Der Mensch ist gemein­hin ein Adap­ti­ons­mons­ter und kann sich an sehr vie­le Din­ge anpas­sen. “Spe­ci­fic Adap­ti­on to impo­sed demands” (Nach Richard Daw­kins) meint, dass sich ein Orga­nis­mus genau dahin­ge­hend anpas­sen wird, wel­chen Rei­zen er aus­ge­setzt ist. Dies geschieht immer dann, wenn wir ein System/Organismus aus dem Gleich­ge­wicht brin­gen (Homöo­sta­se). Jeder Mensch hat hier­bei ande­re Vor­aus­set­zun­gen und Rah­men­be­din­gun­gen. Nur weil jemand 5x in der Woche ins Fit­ness­stu­dio oder “zum Sport” geht, heißt das noch nicht zwangs­läu­fig, dass sich die­se Per­son auch nach­hal­tig an die aus­ge­setz­ten Rei­ze anpas­sen wird.

Wie schon gese­hen ist es not­wen­dig eine Reiz­stär­ke aus­zu­wäh­len, die unse­ren Kör­per aus dem Gleich­ge­wicht bringt. Wir müs­sen ihn also “zwin­gen” sich anzu­pas­sen. Homöo­sta­se bedeu­tet, dass ein Orga­nis­mus den Punkt anstrebt, an dem der Ener­gie­ver­brauch und die Anpas­sungs­en­er­gie mini­mal sind. Ein von außen auf­ge­tra­ge­ner Reiz (hier Trai­ning) kann die Homöo­sta­se bre­chen und das Sys­tem muss sich ent­spre­chend anpas­sen. Dies geschieht nur, wenn die­ser Reiz aus­rei­chend groß ist. Man spricht dann von über­schwel­li­gen Trai­nings­rei­zen. Da der mensch­li­che Kör­per lei­der kein abge­schlos­se­nes und linea­res Sys­tem ist, son­dern viel­mehr ein chao­ti­sches und kom­ple­xes, müs­sen wir mit inte­gra­ti­ven Varia­blen und Metho­di­ken arbei­ten, um uns lang­fris­tig anpas­sen zu kön­nen (vgl. Tae­ger, 2016).

In den Sport­wis­sen­schaf­ten gibt es reich­li­che Prin­zi­pi­en zum Trai­ning, wor­aus sich ver­schie­de­ne Belas­tungs­nor­ma­ti­ve ablei­ten las­sen. Euch die­se anbei zu nen­nen, wird zum einen etwas lang­at­mig und zum ande­ren auch etwas lang­wei­lig. Fer­ner beschäf­tigt die eine oder ande­re Per­son die Fra­ge, wie viel man denn tun soll­te, um sich ent­we­der zu ver­bes­sern oder zu ver­än­dern, indes mehr.

Auf die­se Fra­ge gibt es lei­der kei­ne pau­scha­le Ant­wort. Wie schon beschrie­ben hat jeder Mensch eine grund­le­gend dif­fe­ren­te Aus­gangs­po­si­ti­on sowie Umwelt­fak­to­ren, die es zu berück­sich­ti­gen gilt. Den-noch lässt sich fest­stel­len, je trai­nings­äl­ter und fort­ge­schrit­te­ner wir in etwas sind, des­to schwie­ri­ger ist es, die Homöo­sta­se zu bre­chen. Was dem Beginner_In noch rela­tiv leicht­fällt und schnell von stat­ten geht, dau­ert beim fort­ge­schrit­te­nen Ahleten_In län­ger. Es ist immer ein­fa­cher von 0 auf 1 zu gelan­gen, als von 9 auf 10. Auch die indi­vi­du­el­le Ziel­stel­lung eines Jeden hängt direkt mit der Wahl der Mit­tel und der Erfolgs­aus­sicht zusam­men. Wenn z.B. jemand ledig­lich ein wenig mehr Kalo­rien ver­brau­chen möch­te, da er/sie eine Diät star­tet, reicht wohl schon ein wenig mehr Bewe­gung als vor­her aus (selbst­re­dend ist das Ent­schei­den­de immer die Kalo­rien­bi­lanz). Wenn das Ziel aber ist, einen Halb­ma­ra­thon zu lau­fen, so ist der Auf­wand um ein Viel­fa­ches höher, um die­ses Ziel zu errei­chen.

Dies sind natür­lich nur Grund­la­gen­in­for­ma­tio­nen zu einem sehr kom­ple­xen The­men­be­reich. Doch genau die­ses Fun­da­ment soll­te vor­ab gegos­sen wer­den, bevor man sich mit hoch spe­zi­fi­schen Peri­odi­sie­rungs- und Pla­nungs­sys­te­men des Trai­nings aus­ein­an­der­setzt. Denn zu aller erst ist es nötig zu trai­nie­ren, dem Ziel ent­spre­chend zu Essen (Gewe­be Auf- und Abbau) und sich aus­rei­chend zu rege­ne­rie­ren (Trai­nings­pau­sen / Schlaf), um sei­ne (Trai­nings-) Zie­le zu errei­chen (sie­he Pyra­mi­de). Erst dann fol­gen wei­te­re Deter­mi­nan­ten.

Aus die­sen Aus­füh­run­gen könnt ihr nun selbst ent­schei­den, auf wel­cher Grund­la­ge, die von der WHO ange­ge­be­nen 75 Minu­ten phy­si­sche Akti­vi­tät pro Woche tat­säch­lich ein Bre­chen der Homöo­sta­se beinhal­ten. Ihr könnt sogar beur­tei­len, ob sich dahin­ge­hend eine lang­fris­ti­ge pro­tek­ti­ve Wir­kung errei­chen lässt. Oder dürf­te es nicht doch ein biss­chen mehr sein? Ihr selbst habt es in der Hand.


Quel­len:

[icon name=“angle-right” class=”” unprefixed_class=“”] Aune et al. (2016):
BMI and all cau­se mor­ta­li­ty: a sys­te­ma­tic review and non-line­ar dose-respon­se meta-ana­ly­sis of 230 cohort stu­dies with 3.74 mil­li­on deaths among 30.3 mil­lon par­ti­ci-pants. https://www.bmj.com/content/bmj/353/bmj.i2156.full.pdf
[icon name=“angle-right” class=”” unprefixed_class=“”] Etchison et al. (2011):
Body Mass Index and Per­cen­ta­ge of Body Fat as Indi­ca­tors for Obe­si­ty in an
Ado­le­s­cent Ath­le­tic Popu­la­ti­on. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23016014
[icon name=“angle-right” class=”” unprefixed_class=“”] Men­sink et al. (2013):
Über­ge­wicht und Adi­po­si­tas in Deutsch­land. http://www.gbe-bund.de/pdf/DEGS1_Uebergewicht_Adipositas.pdf
[icon name=“angle-right” class=”” unprefixed_class=“”] Tae­ger, F. (2018):
Satt Stark Schlank. https://www.taegerfitness.de/sattstarkschlank/
[icon name=“angle-right” class=”” unprefixed_class=“”] The Glo­bal BMI Mor­ta­li­ty Col­la­bo­ra­ti­on (2016):
Bodym-ass index and all-cau­se mor­ta­li­ty: indi­vi­dua par­ti­ci­pant-data meta-ana­ly­sis of 239 pro­s­pec­ti­ve stu­dies in four con­ti­nents. https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(16)30175–1/fulltext