Beat trifft Mantra
Text: Sofia Gamiño Waidelich
Laute Techno-Musik und innere Einkehr beim Yoga – kann das funktionieren? Bei Linda Laudins High Intensive Techno Yogakurs lautet die klare Antwort: Ja.
Noch ein wenig durchhalten. Jeder Muskel im Körper ist aktiviert. Nur noch bis der Beat droppt.
Laute Techno-Musik erfüllt den Kursraum, in dem den Teilnehmenden auf ihren Matten langsam die Arme schwer werden. Linda Laudin erlöst sie von der aktuellen Stellung und nutzt den Drive der Musik, um noch ein wenig mehr von ihnen abzuverlangen. Über ein kleines Mikrophon sagt die elanvolle Kursleiterin die Stellungen an, die ein Wechselspiel aus fließenden Bewegungen und stillem Halten der verschiedenen Positionen bilden.
Was sich zunächst anhört wie ein intensives Bodyworkout, ist tatsächlich eine abendliche Yogastunde beim Hochschulsport. Allerdings wird bei Lindas High Intensive Techno Yogakurs, wie der Name es schon andeutet, die elektronische Musik laut aufgedreht und von den Teilnehmenden auf schweißtreibende Art der volle Körpereinsatz gefordert.
Eigentlich ist Hatha Yoga die große Leidenschaft der Yogalehrerin. Diese vollumfängliche ganzheitliche Yogarichtung vereint körperliche Übungen, Atemübungen und Meditation und schafft damit ein inneres Gleichgewicht. Für diese Yogastunden bevorzugt Linda bestimmte Mantras auf Sanskrit, die im Hintergrund laufen. Ansonsten wählt sie auch gerne beruhigende Alpha- und Deltawellen oder andere Musik, die sie einfach schön findet, für ihre Yogastunden. Popsongs und Lieder mit viel Text vermeidet sie, da sie keine Verknüpfungen mit bestimmten Situationen aus dem Leben der Teilnehmenden hervorheben will. Damit würde sie riskieren, dass diese dann weniger fokussiert wären.
Zwischen Yoga und Feiern
Auf die Idee, einen Yogakurs mit Techno-Musik anzubieten, kam die Yogabegeisterte, weil sie die Wirkung dieser Musik mit der Yogapraxis vereinen wollte. „Ich tanze selbst sehr gerne zu elektronischer Musik“, erklärt Linda. Dabei könne es durchaus vorkommen, dass sie in einen gewissen Trancezustand verfällt: „Ich gehe in dem Beat auf, lasse mich komplett fallen.“ Zunächst nutzte sie diese Wirkung nur für ihre Yogapraktiken zuhause. „Dann kam mir der Gedanke: Warum nicht diese Elemente miteinander verbinden? Warum nicht gemeinsam Yoga zu elektronischer Musik praktizieren?“
Und so hat die ambitionierte Yogalehrerin diesen Kurs selbst kreiert und bietet diesen seit dem vergangenen Wintersemester beim Hochschulsport Göttingen an. Dieses Projekt steht noch in den Startlöchern. Und die 25-Jährige hat zahlreiche Pläne, diese Art der Yogapraxis weiter auszubauen. Weiterbildungen, Kurse auf Festivals im Sommer und größere Kursräume, damit mehr Menschen teilnehmen können. „Ich möchte auch mehr mit Lichtern arbeiten oder wenn möglich sogar mal eine Nebelmaschine mitnehmen und irgendwie das Gefühl erschaffen, dass man zusammen feiert“, erzählt sie begeistert von ihren Plänen, um die Yogakurse auszubauen.
Techno als Ergänzung statt Widerspruch
Der Kurs dauert insgesamt anderthalb Stunden. In der ersten Stunde baut sich die Intensität des Kurses auf. Die Musik wird immer schneller, und es kann durchaus anstrengend und intensiv werden. Wer jetzt aber glaubt, dass es in diesem neuen Kurs ausschließlich um schweißtreibendes Auspowern geht, liegt damit nicht ganz richtig. Die elektronische Musik kann, wie auch ein Mantra oder leise Akustikmusik im Hintergrund, helfen, diesen gewissen Zustand zu erreichen. „Durch den Beat kommst du in eine Art Flow und hast auch mehr Kraft“, erklärt die Kursleiterin. Die Musik kann den Körper durchströmen, der Beat dem Körper Kraft geben, Energie schenken und beflügeln.
Zu den meisten Yogastunden gehört auch eine Schlussentspannung. Diese ist mit einer halben Stunde am Ende des Kurses länger als in Lindas üblichen Yogastunden. Progressive Muskelentspannung, Visualisierung und Autosuggestionstraining sind dabei Teil dieser Entspannungsphase. Währenddessen ist die Musik aus, weil Musik auch ablenken könne, wie sie erklärt. Um die Menschen anschließend wieder aus der Entspannung rauszuholen, verwendet sie gerne ein Windspiel, Klangschalen oder singt selbst. So sehr Techno-Musik einen in den Flow bringen kann, um die Stellungen ausdauernder und stärker halten zu können, so unpassend kann sie auch in der Schlussentspannung sein.
Während der Yogapraxis ist die elektronische Musik allerdings ein komplementierendes Element. „Der High Intensive Techno Yoga Kurs ist nicht nur aufs Außen, auf Stärkung der Körperkraft und Flexibilität ausgerichtet, sondern hat auch eine Innenkehr mit sich. Nur weil draußen der Beat laut ist, heißt das nicht, dass man nicht nach innen gehen kann“, sagt Linda. Wie auch ein Mantra kann elektronische Musik andere Bewusstseinszustände befördern und bei der Yogapraxis unterstützen. Techno und Yoga sind somit keine Widersprüche, sondern eine mögliche Ergänzung, eine Verbindung von zwei Elementen, die vielleicht auf den ersten Blick unvereinbar scheinen, aber in der Praxis hervorragend harmonieren.
Über die Autorin:
Sofia studiert Philosophie und Literatur im Master. Passend dazu ist ihr größtes Hobby Lesen – am liebsten draußen auf einer Wiese mit einem anschließenden langen Spaziergang.