Sport­an­ge­bot

E‑Sport —
Das Spiel mit dem Geld

E‑Sport begeis­tert die Mas­sen. Und es steckt eine Men­ge Geld dahin­ter. Wer pro­fi­tiert davon?

Text: Vin­cent Lin­ne

Okto­ber 2021 – trotz des in Euro­pa anhal­ten­den Coro­na-Lock­downs, ist die Are­na Națio­nală in Buka­rest in die­sen Tagen das Zen­trum der Auf­merk­sam­keit für vie­le. Rie­si­ge Bild­schir­me flu­ten das Sta­di­on mit bun­ten Far­ben, Pyro­tech­nik wird auf der Büh­ne ent­zün­det, es reg­net Kon­fet­ti.

Die Besucher*innen toben, jubeln und applau­die­ren. Nicht nur in dem durch Covid nur bedingt besetz­ten Sta­di­on, son­dern auch mil­lio­nen­fach auf der gan­zen Welt. Doch auf den rie­si­gen Bild­schir­men ver­folgt das Publi­kum nicht etwa das ful­mi­nan­te Fina­le einer Musik­show, son­dern fünf jun­ge Erwach­se­ne hin­ter Com­pu­ter­bild­schir­men, die nun lang­sam begin­nen, sich ungläu­big der all­ge­mei­nen Freu­de anzu­schlie­ßen. Und die Freu­de ist berech­tigt. Denn sie haben soeben bei der größ­ten E‑S­port-Meis­ter­schaft das Fina­le und damit mehr als 18 Mil­lio­nen Dol­lar gewon­nen.

Dies spiel­te sich so bei „The Inter­na­tio­nal“, dem World­cup in dem Com­pu­ter­spiel „Dota 2“ ab. Mit ins­ge­samt mehr als 40 Mil­lio­nen Dol­lar Preis­geld und bei­na­he 3 Mil­lio­nen welt­wei­ten Zuschauer*innen ist es das bis heu­te größ­te E‑S­port-Tur­nier. Doch die­se Dimen­sio­nen sind kei­ne Aus­nah­me, son­dern zei­gen auf, welch ein mas­si­ves Wachs­tum die noch ver­hält­nis­mä­ßig jun­ge Bran­che an den Tag legt. E‑Sport, also elek­tro­ni­scher Sport, beschreibt Wett­kämp­fe, die in Com­pu­ter- oder Video­spie­len aus­ge­tra­gen wer­den. Seit den 2000ern nimmt das bis dato noch nicht sehr ver­brei­te­te Hob­by Fahrt auf und wird gra­de unter Jugend­li­chen zu einem Mas­sen­phä­no­men. So dau­er­te es nicht lan­ge, bis sich in den Com­mu­ni­tys der Spie­le auch eige­ne Events und Wett­kämp­fe geformt haben. In den ver­gan­ge­nen Jah­ren sind Video­spie­le, nicht zuletzt auch durch die Pan­de­mie, mit wei­tem Abstand die lukra­tivs­te und am stärks­ten wach­sen­de Unter­hal­tungs­bran­che gewor­den. Da ist es nicht ver­wun­der­lich, dass sich auch der E‑Sport ent­spre­chend pro­fes­sio­na­li­siert hat und grö­ße­re Auf­merk­sam­keit auf sich zieht.

Doch die­se Auf­merk­sam­keit bringt gemisch­te Reso­nan­zen mit sich. Spä­tes­tens seit die Bun­des­re­gie­rung 2018 in ihrem Koali­ti­ons­ver­trag das Ziel äußer­te, E‑Sport offi­zi­ell als Sport­art anzu­er­ken­nen, wer­den kri­ti­sche Stim­men laut. Laut dem Deut­schen Olym­pi­schen Sport­bund und ande­ren Kritiker*innen weist E‑Sport nicht genü­gend eigen­mo­to­ri­sche Akti­vi­tät auf, da die Spieler*innen ledig­lich den Con­trol­ler oder Maus und Tas­ta­tur bedie­nen. Die Spieler*innen sehen dies jedoch anders. „Pro­fes­sio­nel­len Sport wür­de ich immer dadurch defi­nie­ren, dass Höchst­leis­tung gebracht wird, sowohl kogni­tiv als auch kör­per­lich.“ So lau­tet die Mei­nung von Alex, der bei dem Com­pu­ter­spiel „League of Legends“ schon in eini­gen Ligen und Teams ver­tre­ten war. „Das ist auch eine extre­me kör­per­li­che Anstren­gung. In mei­ner ers­ten Sai­son gegen Aachen habe ich mal sechs Stun­den gespielt und war danach fix und fer­tig.“ Auch die Ein­hal­tung der im Sport ver­tre­te­nen ethi­schen Wer­te wer­den im E‑Sport auf Grund von Titeln, die Gewalt beinhal­ten, hin­ter­fragt. Ein Argu­ment, so die Befürworter*innen, wel­ches den Spie­len nicht gerecht wird, die ohne­hin nur einen Teil des E‑Sports abbil­den, wenn auch einen gro­ßen. In Deutsch­land gehört so zum Bei­spiel auch die Fuß­ball­si­mu­la­ti­on „Fifa“ zu den belieb­tes­ten Spie­len. Selbst gro­ße Fuß­ball­ver­ei­ne wie Schal­ke 04 oder RB Leip­zig stei­gen in die neue Bran­che ein und ver­pflich­ten nicht nur jun­ge Talen­te vom Sport­platz weg, son­dern auch aus dem Kin­der­zim­mer von der Spiel­kon­so­le.

Die Ver­mu­tung, dass dies nicht nur aus Ver­bun­den­heit mit den Spieler*innen des elek­tro­ni­schen Pen­dants geschieht, liegt aller­dings nahe. Ein neu­er mil­li­ar­den­schwe­rer Markt rutscht lang­sam in die Welt des Spor­tes mit einer gro­ßen geson­der­ten Ziel­grup­pe, eige­nen Regeln und vor allem viel Poten­zi­al, wel­ches nicht unbe­merkt bleibt. Die größ­ten Pro­fi­teu­re blei­ben aller­dings die Ent­wick­ler­stu­di­os selbst. Bei die­sen han­delt es sich inzwi­schen oft nicht mehr um klei­ne Stu­di­os, son­dern um Mil­li­ar­den­kon­zer­ne mit kla­rer Gewinn­ori­en­tie­rung. In der Hand die­ser Unter­neh­men liegt also die Macht und Ver­ant­wor­tung über Wett­kämp­fe, Tur­nie­re und mög­li­chen zukünf­ti­gen sport­li­chen Dis­zi­pli­nen. Denn das Spiel ent­steht nicht nur durch sie, auch die Orga­ni­sa­ti­on von Ligen, Tur­nie­ren und deren Ver­mark­tung wird häu­fig direkt von den Entwickler*innen über­nom­men. Zudem wer­den die Titel teil­wei­se nach Erschei­nung auch noch umge­än­dert und ange­passt. Gan­ze Spiel­ele­men­te oder Regeln unter­lie­gen so der Lau­ne weni­ger Entscheidungsträger*innen. Auch die Daten der oft mil­lio­nen­fa­chen Spieler*innen wer­den gesam­melt, aus­ge­wer­tet und genutzt, um die Spie­le im Ide­al­fall bes­ser, viel­leicht aber auch nur lukra­ti­ver zu machen. Ein min­des­tens frag­wür­di­ges Macht­ver­hält­nis.

Bei einem Event wie das an jenem Okto­ber­abend in Buka­rest wird aller­dings schnell klar, dass sich trotz aller Kri­tik grund­le­gen­de Punk­te dem E‑Sport nicht abspre­chen las­sen. Er begeis­tert Mil­lio­nen und bringt vie­le Men­schen zusam­men, die den Spaß und die Lei­den­schaft an ihrem Hob­by tei­len. Eini­gen bie­tet er sogar Per­spek­ti­ven im Leben, die ihnen ver­mut­lich ver­wehrt geblie­ben wären, wür­de Gam­ing immer noch Abseits der brei­ten Mas­se und nicht in gro­ßen Sta­di­en statt­fin­den. Und eine Gemein­sam­keit mit allen Sport­ar­ten lässt sich beim Anblick der tosen­den Men­ge in der Are­na Națio­nală defi­ni­tiv nicht abstrei­ten: Die Freu­de am Spiel.