Mit dem E‑Bike auf dem Inselsberg im Thüringer Wald
Text: Livius Schillingmann
Endlich ist es soweit! Zwei stehen heute gewaltig unter Strom: Mein E‑Bike und ich. Unsere Mission: Gemeinsam den Berg hoch. Die Sonne glänzt bereits am Morgenhimmel, keine Wolke weit und breit, der E‑Bike-Gott scheint uns wohlgesonnen zu sein.
Unsere Akkus sind voll aufgeladen, bei mir mit einem gehaltvollen Müsli, bei meinem Partner mit kraftvollem Ladesaft aus der Hotelsteckdose. Ich klacke den 625 Wattstunden großen Akku meines Bikes in die Akkuhalterung. Die Ladeanzeige meldet sich mit einem energiegeladenen Fiepen und signalisiert mir seine volle Einsatzbereitschaft für die anstehende Aufgabe.
Im WInter finden keine Kurse im Bereich MTB statt.
Andächtig trete ich einen Schritt zurück. Was ist mein Kamerad doch für ein Prachtkerl. Breite Stollenbereifung, tiefe Federwege gepaart mit einem 70 Newtonmeter starkem Syncdrive Motor. Zum Vergleich: Mit 80 Newtonmeter drehe ich meine Radbolzen am Auto fest. Klackend verriegeln sich meine Helmgurte, und die protektorbewährten Handschuhe geben mir das Gefühl, gleich in einen Star-Wars-X-Flügler zu steigen. Während ich noch meinen blau-metallisch glänzenden Kameraden bestaune, strampeln zwei „Unmotorisierte“ vorbei. Offensichtlich mit dem gleichen Missionsziel wie wir: Den Berg hoch. „Respekt!“, denke ich bei mir, während ich meinen Blick auf den von hier aus gut zu erkennenden Gipfel richte. „Dort jetzt mit dem normalen Mountainbike hoch? Da hätt‘ ich keine Lust drauf.“
Ich checke noch kurz die Einstellungen beim E‑Bike und wähle die maximale Pedalunterstützung für den Anstieg. Heute ist Sonntag – wollen wir mal nicht geizig sein. Das geht natürlich auf Kosten der Reichweite. Wird wohl passen, denke ich mir. Mit einem lockeren Sprung schwing ich mich auf das E‑Bike und trete in die Pedale. Sofort spüre ich, wie der E‑Motor anzieht und das Rad wie von Geisterhand nach vorne schiebt. Von der leichten Steigung, die hier bereits herrscht, spüre ich gar nichts. Die ersten zwei Kilometer mache ich erstmal ruhig und spiele ein bisschen mit meinem neuen Kumpel herum.
Gleich an der übernächsten Kurve führt uns die Route aber schon von der geteerten Straße herunter direkt in den Wald. Es riecht sofort nach Natur, die Vögel zwitschern, die Sonne bricht locker durch die Hainbuchen. Die erste wirkliche Steigung kommt auf uns zu. Schon von weitem sehe ich einige große Steine aus dem Waldboden ragen, um die herum sich die Strecke, die jetzt eher einer Art Trail gleicht,serpentinenartig nach oben windet. Direkt vor mir tauchen wieder die beiden „Unmotorisierten“ von vorhin auf. Der eine wirkt schon ziemlich verschwitzt, meine ich mir einzubilden. Beim Näherkommen höre ich schon das charakteristische Klickern wenn beim Mountainbike die kleineren Gänge eingelegt werden. Auch die Geschwindigkeit, mit der die zwei strampeln, aber kaum vorankommen, wirkt plötzlich aberwitzig. Mühelos ziehe ich an den sich Abmühenden vorbei. Trotzdem spüre ich, wie der Motor an der Steigung nun doch anfängt, auch etwas gequält zu klingen. Das helle Summen hat sich jetzt eher zu einem dunkleren Surren verändert. Dabei muss ich aber nach wie vor kaum selbst in die Pedale treten um voranzukommen.
Als nach etlichen Höhenmetern und mindestens 20 Windungen der Trail l wieder zu einem breiteren Weg ausläuft, stelle ich mit leichtem Erstaunen fest, dass ich laut Akkudisplay bereits 25% Ladevolumen verbraucht habe. Puh! Das fühlt sich für die kurze Strecke irgendwie viel an. Die nächsten acht Kilometer sind eine Mischung aus leichten Steigungen und ebenen Strecken. Mühelos zieht mein Partner mich voran. Von Anstrengung keine Spur – dafür jede Menge Fahrspaß. Es tut sich eine Lichtung auf und vor uns liegt ein grasdurchwachsenes, saftiges Hochmoor, an dessen Fuß der Endspurt zum Gipfel beginnt. Deutlich ist die Strecke zu erkennen, wie sie sich durch den anschließenden Fichtenwald den Berg hochquält. Ein Blick auf die Ladeanzeige: 55%. Ich trete in die Pedale und mein elektrischer Gefährte saust durch die schöne Natur Richtung letzter Etappe. Ich bemerke am gequälten Surren des E‑Motors, dass es nun wieder deutlich bergauf geht. Ich hätte es wohl auch an der sich verändernden Vegetation wahrnehmen können, aber meine Konzentration ist mittlerweile dezent von der grünen Natur abgeglitten. Ich ertappe mich, wie ein Auge mittlerweile permanent auf den Füllstand vom Ladesaft schielt. Es beunruhigt mich, wie erstaunlich schnell die Ladestandsanzeige fällt, sobald es wieder steiler wird. Und jetzt geht’s erst richtig bergauf. Nach einigen Windungen nur noch 40%. Einige weitere Windungen nur noch 27 % Ich entwickle langsam eine Neurose und nehme ausschließlich die Akkuanzeige wahr. Wenn mein Kamerad vor‘m Gipfel einknickt, dann ist die Mission offiziell gescheitert. Den trägen Fettsack trete ich dann bestimmt nicht den Berg hoch, da dreh ich lieber um. Es ist schließlich Sonntag. Aber ruhig Blut, versuche ich mich zu beruhigen – noch habe ich Akku. Ich spiele mit dem Gedanken, die volle Pedalunterstützung gegen die mittlere zu wechseln, um die Reichweite zu erhöhen, verwerfe die Idee aber sofort wieder, weil ich hier bin, um E‑Bike zu fahren und nicht Fahrrad wie die beiden „Unmotorisierten“ irgendwo hoffentlich weit hinter mir. Das wäre ja mal die absolute Blamage, wenn die mich kurz vor‘m Gipfel einholen weil, mein stollenbereifter Partner die weiße Fahne gehisst hat. Endlich endet die Strecke auf einem geteertem Stück Gipfelstraße. GOTT SEI DANK! Ich sehe plötzlich den rot weiß gestrichenen Sendemasten, der die Bergkuppe ziert, direkt vor mir. Wir haben es geschafft! Mit einem Akkustand von 13 %. Das war knapp. Auf dem Rückweg geht’s zum Glück bergab.
Vorteile E‑Bike:
- Sportliches Fahrgefühl bei geringer sportlicher Aktivität
- Angenehmes, wenig anstrengendes Vorankommen
- Weite Strecken können mühelos zurückgelegt werden
Nachteile E‑Bike:
- Abhängigkeit vom Ladestand Akku und Energieversorgung
- Wenn Akku leer wird hohes Gewicht des Bikes zum deutlichen Nachteil
- Hohe Anschaffungspreise
- Schlechtere Ökobilanz als der Drahtesel
- geringes cardio-vaskuläres Training
- geringere Ausschüttung der Glückshormone Dopamin, Serotonin und Endorphin
Über den Autor:
Livius studiert Geschichte und Ur- und Frühgeschichte im Bachelor.