Zwischen Euphorie und Kontroversen
Große Sportveranstaltungen sorgen schon lange nicht mehr für ungetrübte Begeisterung. Jonathan Müller blickt auf die Olympischen Spiele in Paris voraus und auf die Probleme, die ein solches Massenevent mit sich bringen kann.
Millionen Besucher*innen strömen im Sommer 2024 nach Paris. Die Stadt bereitet sich auf die Olympischen Spiele vor. Sogar die verschmutzte Seine soll dafür gereinigt werden. Für die französische Hauptstadt, die im Umgang mit Großevents viel Erfahrung hat, werden die zwei Wochen dennoch eine große Herausforderung sein. Aber wenn alles läuft, wie geplant, wird es unvergessliche Momente geben und die Werte des Sports – Fair-Play, Toleranz und Respekt – werden die Welt für kurze Zeit zusammenrücken lassen, so die Hoffnung des Organisationsteams.
An den Spielen nehmen dieses Mal 10.500 Sportler*innen aus mehr als 200 Nationen teil. Zum ersten Mal in der Geschichte der Olympischen Spiele der Neuzeit starten so viele Frauen wie Männer in die Wettkämpfe. Die paritätische Besetzung der Startplätze wird dem Frauensport weiter Aufwind geben. Für viele junge Sportlerinnen, die in einigen der teilnehmenden Staaten unter massiven Repressalien leben, ist die regelmäßige Teilnahme an Wettbewerben verboten. Für diese Sportlerinnen bedeuten die Olypmischen Spiele die Vision, die eigenen Fesseln des Patriarchats zu sprengen und viele weibliche Sportikonen zu sehen. Ganz nach dem Motto: „If she can see it, she can be it.”
Auch im Bereich der ökologischen Nachhaltigkeit soll dieses Mal einiges anders werden. Denn etwa 80 Prozent der Spielstätten wurden bereits lange vor den Olympischen Spielen erbaut und intensiv genutzt. Nach den Spielen werden die Stadien deshalb nicht leer stehen, sondern weiterhin genutzt werden. Andere Objekte werden nur für kurze Zeit einen Eingriff in das Stadtbild darstellen, wie zum Beispiel der Sprungturm, der auf einer Brücke über der Seine stehen soll.
Tatsächlich wurde das mit Fäkalien verseuchte Wasser in den letzten Jahren immer sauberer. Allerdings flossen bis Ende 2023 noch immer 1,9 Millionen Kubikmeter Abwasser ungefiltert in die Seine. Jedes Jahr werden 360 Tonnen Unrat aus dem Fließgewässer gezogen, was einer Unterwasser-Mülldeponie gleichkommt. Dennoch muss der Fluss bis Ende Juli so sauber sein, dass Schwimmwettbewerbe wie das Freiwasserschwimmen dort stattfinden können. Unter dem Gesichtspunkt, dass die Seine seit 100 Jahren gereinigt werden soll, wird die Wasserqualität auf Badeniveau mitunter das größte Erbe der Spiele sein.
Kein Olympia für Arme und Studierende
Die Euphorie für die Spiele wird nicht von allen Pariser*innen geteilt. So sollen zum Beispiel Studierende aus ihren Wohnungen geworfen werden, damit diese teuer an besser zahlende Olympia-Tourist*innen vermietet werden können. Der Haushaltsentwurf Frankreichs für das Jahr 2024 musste am Parlament vorbei per Dekret des Präsidenten durchgesetzt werden, da Präsident Macron im Parlament keine Nötige Mehrheit für seine Pläne fand. Demokratie par excellence.
Die Kosten für die Sicherheit der Sportler*innen und Besucher*innen sind bis jetzt nicht absehbar. Bis zu 11.000 Polizist*innen und ca. 25.000 Sicherheitskräfte sollen täglich für sichere Spiele im terrorgeplagten Paris sorgen.
Spiele für alle werden es wohl eher nicht werden. Arme Menschen befürchten, weitestgehend ausgeschlossen zu werden von den Wettbewerben. Vor allem die hohen Ticketpreise stoßen auf Kritik. So kostet eine Karte für die Eröffnungsfeier um die 900 Euro. Ein Sitzplatz bei den für Spannung bekannten Sprintwettbewerben kostet 980 Euro. Die horrenden Preise überraschen nicht. Bereits in Rio kosteten die Karten für die Eröffnungsfeier mehr als 1000 Euro. Für die besten Plätze in den finals zahlte man damals sogar 1400 Euro. Grotesk angesichts der Tatsache, dass viele Pariser*innen gerade einmal 100 Euro für einen Wocheneinkauf zur Verfügung haben und die Preissteigerungen auch Frankreich hart getroffen haben. Zwar gibt es billigere Tickets, doch ist ein Großteil dieser Karten für das U23-Fußballturnier vorgesehen, dem kein allzu hoher Stellenwert zugeschrieben wird.
Die Organisatoren greifen auf 45.000 Freiwillige zurück, die für den reibungslosen Ablauf der Spiele sorgen sollen. Sie sollen zum Beispiel den Spieler*innen den Weg zum Hotel und Wettkampfort zeigen. Allerdings bekommen sie noch nicht einmal eine Aufwandsentschädigung. Die Organisator*innen stellen ihnen nicht einmal eine Unterkunft zur Verfügung. Bei etwa 8 Milliarden Euro Gesamtkosten ist es bemerkenswert an welchen Stellen gespart wird.
Trotz der vielen problematischen Aspekte in der Organisation der Olympischen Spiele werden die Werte des Sports – Fair Play, Respekt und Toleranz – über allem stehen. Wir können uns also auf eine kurze, aber intensive Zeit freuen, in der die Welt durch den Sport vereint wird. Hoffentlich.